Afghanistan-Einsatz: Ärzte wenden sich an Verteidigungsminister Jung
September 2, 2009 by juliane
Filed under Gesundheits-News
Der 1. September ist der Antikriegstag. Und Deutschland befindet sich seit Jahren im Krieg. Auch, wenn der Einsatz in Afghanistan offiziell unter der Bezeichnung „Aufbau“ läuft, so ist es doch Fakt, dass immer mehr Soldaten und auch Zivilisten am Hindukusch verwundet und traumatisiert werden. Die Bundesregierung will dies jedoch anscheinend unter den Teppich kehren.
Berlin – Mathias K.*Â war in Afghanistan. Dort hat er Dinge gesehen, über die er nicht reden kann, nicht reden möchte. Geblieben ist ihm ein Trauma aus dieser Zeit. Er trinkt zuviel, wird schnell sehr aggressiv. So aggressiv, dass er für den Kampfeinsatz nicht mehr geeignet ist und nun bei der Bundeswehr nur noch Laufbursche ist.
Sein Kamerad Andreas H.* wurde in Afghanistan bei einem Anschlag verletzt. Zwar nicht schwer körperlich, doch psychisch ist auch er seitdem nicht mehr der Alte. Seine Freunde beschreiben ihn als aufbrausend und aggressiv. Nach dem Anschlag ging er zurück nach Afghanistan. „Ich war noch nicht fertig mit dem Land.“ Und das ist er auch heute nicht.
Krank durch Krieg
Beide haben einen Schaden erlitten, der eine Therapie erfordern würde. Bei Mathias wurde der Schaden benannt: PTBS, Posttraumatisches Belastungssyndrom. Ein Phänomen, das schon so lange existiert, wie es Kriege und Unruhen gibt, das immer wieder gestandene Männer nach Kriegseinsätzen zu psychischen Wracks macht, das Familien zerstört. Auch Journalisten, die in Kriegsregionen arbeiten oder oft aus Katastrophengebieten berichten, leiden häufig an PTBS. Doch scheinen alle Regierungen dieser Welt ein Problem damit zu haben, wenn es um ihre Soldaten geht, die aufgrund ihres patriotischen Dienstes an der Waffe zu seelischen Krüppeln werden.
Auch die deutsche Regierung bildet da leider keine Ausnahme. Zwar wurde das Problem des PTBS jetzt offiziell erkannt und die Notwendigkeit, etwas zu tun, anerkannt. Es werden nun auch Psychologen und Psychotherapeuten gesucht, die kurzfristig Therapieplätze für Soldaten zur Verfügung stellen. Doch sollen diese keinerlei kritische Fragen über die Berufswahl des Soldaten oder den Einsatz an sich stellen.
Therapie ja, Kritik nein
Aus diesem Grund haben mehr als 200 deutsche Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten einen offenen Brief an Verteidigungsminister Franz Joseph Jung geschrieben, in dem sie dieses Vorgehen scharf kritisieren. Es werde der Eindruck erweckt, dass ein PTBS mit einer Psychotherapie heilbar sei. Außerdem bemängeln sie, dass genau die Fragen über den persönlichen Kontext zu Militär und Kriegseinsatz wichtig seien, um das PTBS behandeln zu können. „Den Aufruf des Verteidigungsministeriums, uns an der Behandlung von traumatisierten Soldaten zu beteiligen und uns damit für die Kriegsführung der Bundesregierung instrumentalisieren zu lassen, weisen wir daher zurück“, sagen die Schreibenden.
Was auch immer geschieht: für Mathias K. kommt es zu spät. Sein PTBS wird nicht anerkannt, weil es vor der offiziellen Anerkennung der Bundesregierung auftrat. Damit fällt eine Behandlung auf Kosten der Bundeswehr für ihn aus.
*Namen von der Redaktion geändert